
Es gibt Momente im Eishockey, da schaut man auf die Uhr, schüttelt den Kopf und merkt: Die Zeit spielt keine Rolle mehr.
Jaromír Jágr, 53 Jahre alt, steht wieder auf dem Eis. Saison Nummer 38. Kein Tippfehler. Achtunddreißig.
Während andere Legenden längst in Hallen mit ihrem Namen an der Wand hängen, zieht Jágr noch immer sein Trikot über. Kein Retro-Jersey. Kein Show-Match. Sondern echtes, ehrliches Eishockey. In Kladno, seiner Heimatstadt, wo die Bande noch quietscht und der Kaffee in der Drittelpause bitter schmeckt.
Ein Mann gegen die Zeit
Wenn Jágr über das Eis gleitet, sieht man keine 53 Jahre. Man sieht Geschichte, Muskelerinnerung, Liebe.
Die Schultern immer noch breit wie ein Schrank, der Helm immer noch einen Tick zu tief im Gesicht, und dieser Blick halb Fokus, halb „Ich weiß, dass du gleich Fehler machst, Junge“.
Er ist kein Passagier da draußen. Kein Maskottchen.
In einer Liga voller junger Beine spielt er, als hätte die Zeit vergessen, bei ihm vorbeizuschauen. Vielleicht hat sie’s wirklich getan. Vielleicht traut sich die Zeit einfach nicht, Jaromír Jágr zu stoppen.
Kladno mehr als nur ein Verein
Rytíři Kladno ist kein glamouröser Ort. Keine NHL-Arena, kein Laserlicht, kein Hallensprecher mit Overdrive-Mikrofon.
Aber für Jágr ist es das Zentrum des Universums. Hier begann alles. Hier gehört er hin. Und ja er besitzt den Club. Der Spieler, der gleichzeitig sein eigener Boss ist. Wie ein Rockstar, der sein eigenes Festival veranstaltet und dann noch das beste Solo des Abends spielt.
Kladno kämpft. Die Tabelle lügt nicht. Aber da ist etwas an diesem Team, das anders ist, wenn Jágr spielt.
Wenn die 68 aufs Eis kommt, wirkt selbst die Luft dicker, bedeutender. Es geht nicht mehr nur um Punkte. Es geht ums Prinzip.
Mehr als nur Hockey
Man kann Statistiken zählen, Tore addieren, Karriereabschnitte katalogisieren 766 NHL-Tore, 1.921 Punkte, unzählige Zigarettenwitze und Frisurenphasen.
Aber das alles verblasst, wenn man ihn heute sieht. Mit grauen Strähnen unter dem Helm, das Tempo ein bisschen langsamer, aber das Feuer unverändert.
Jágr ist kein Nostalgieprodukt. Er ist die Verkörperung von Eishockey selbst.
Von diesem Gefühl, dass man spielt, weil man muss, nicht weil man’s noch kann.
Von diesem Moment, wenn das Licht über dem Eis flackert und du weißt: Das hier ist dein Ort.
Deine Kirche. Dein Zuhause.
Der ewige Ritter
Vielleicht ist das das Schönste an Jágrs Geschichte: Sie hat kein Ende.
Jede Saison, in der er noch einmal die Schlittschuhe schnürt, ist wie ein Liebesbrief an den Sport.
Er spielt nicht, weil er etwas beweisen muss. Er spielt, weil er’s nicht lassen kann.
Und irgendwo, in einer kleinen tschechischen Halle, sitzt ein Kind mit glänzenden Augen und sieht ihm zu so, wie wir alle ihm einst zugesehen haben.
Und denkt sich: Wenn das Eishockey ist dann will ich das auch.
Jaromír Jágr. 38. Saison.
Die Legende läuft weiter. Nicht, weil sie muss.
Sondern, weil sie will.


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