
In der Welt des professionellen Eishockeys stehen oft die großen Namen im Mittelpunkt. Spieler wie Connor McDavid, Leon Draisaitl, oder früher in der DEL Dominik Kahun dominieren Schlagzeilen, Spielberichte und Highlight-Videos. Die Öffentlichkeit liebt die spektakulären Tore, die Dribblings, die Alleingänge. Doch wer sich intensiver mit dem Spiel beschäftigt, merkt schnell: Es sind nicht nur die Stars, die den Unterschied machen.
Eishockey ist ein Teamsport in seiner reinsten Form. Das Spiel ist schnell, körperbetont, taktisch komplex – und ohne funktionierendes Zusammenspiel ist selbst der größte Einzelkönner wirkungslos. Teamarbeit ist keine Begleiterscheinung – sie ist der Kern.
Schnelligkeit und Struktur: Warum Teamplay unerlässlich ist
Im modernen Eishockey werden innerhalb weniger Sekunden mehrere Richtungswechsel, Formationsveränderungen und taktische Entscheidungen getroffen. Spieler müssen wissen, wo ihre Mitspieler sind, ohne hinzusehen. Das erfordert Vertrauen, Abstimmung – und unzählige Stunden gemeinsames Training.
Ein gutes Beispiel ist das sogenannte „Support Play“: Dabei geht es darum, dass ein Spieler mit dem Puck niemals allein gelassen wird. Er braucht Optionen – Mitspieler, die sich anbieten, Räume öffnen oder die Scheibe absichern, wenn sie verloren geht. Ohne dieses Zusammenspiel bricht der Spielfluss sofort zusammen.
Defensivarbeit: Der unterschätzte Schlüssel zum Sieg
Stars schießen Tore – aber Meisterschaften werden in der Defensive gewonnen. Ein geblockter Schuss, ein kluger Stellungswechsel, ein rechtzeitiger Wechsel oder ein abgefangener Pass sind oft unsichtbar für den Zuschauer, aber entscheidend für den Ausgang eines Spiels.
Defensives Teamplay bedeutet: Jeder übernimmt Verantwortung. Auch die Top-Stürmer müssen mit nach hinten arbeiten, die Verteidiger kommunizieren ständig mit dem Torhüter, und bei Scheibenverlust ist klar, wer die Mitte sichert.
Ein Paradebeispiel dafür war die Mannschaft der Tampa Bay Lightning im Jahr 2021.
NHL: Tampa Bay Lightning – Spiel 7 gegen die New York Islanders (2021)
20. Juni 2021, Stanley Cup Playoffs, Conference Final. Tampa Bay trifft im alles entscheidenden Spiel 7 auf die New York Islanders. Es steht 0:0 im dritten Drittel, als die Lightning in Unterzahl agieren. Normalerweise konzentriert man sich dann aufs Verteidigen – doch die Mannschaft denkt weiter.
Nach aggressivem Forechecking erobert Anthony Cirelli den Puck, Ondrej Palat reagiert sofort, und Yanni Gourde verwandelt den Angriff in ein Tor. In Unterzahl.
Diese Szene war kein Zufallsprodukt. Sie war das Ergebnis von wochenlangem Training, klaren Rollenverteilungen und der Bereitschaft, jederzeit für den Nebenmann zu arbeiten. Kein Star-Glanz, kein Solo – sondern pure Teamarbeit.
Fun Fact: Gourde war kein Top-Scorer. Doch er war Teil der dritten Reihe – der „grinding line“ – die speziell für genau solche Momente trainiert wurde.
DEL: Red Bull München – Finalspiel gegen Adler Mannheim (2023)
Auch in der DEL zeigte sich 2023, wie Teamarbeit Titel gewinnt. Im fünften Finalspiel gegen die Adler Mannheim führt München knapp mit 1:0. Mannheim drückt im letzten Drittel auf den Ausgleich – das Momentum scheint zu kippen.
Doch dann geschieht Entscheidendes, abseits der großen Schlagzeilen:
Patrick Hager und Konrad Abeltshauser werfen sich in zwei gefährliche Schüsse. Die Defensive bleibt ruhig, die Reihen wechseln diszipliniert. Beim folgenden Konter harmonieren Yasin Ehliz und Maximilian Kastner perfekt – Ehliz bindet den Gegenspieler, Kastner trifft.
Der Spielzug war schlicht, aber wirkungsvoll – einstudiert, sicher, effizient. Keine Einzelaktion, sondern ein Musterbeispiel für Kollektivdenken.
Taktik statt Show: Die Kraft der klaren Rollen
In erfolgreichen Teams kennt jeder Spieler seine Aufgabe. Die Topreihe soll Tore schießen, die dritte oder vierte Linie soll das Spiel neutralisieren, körperlich spielen, Räume schließen. Es geht nicht darum, dass jeder glänzt – sondern dass jeder beiträgt.
Trainer wie Jon Cooper (Tampa) oder Don Jackson (München) setzen bewusst auf Rollenspieler. Spieler, die vielleicht selten treffen, aber in der Kabine für Stimmung sorgen, auf dem Eis keinen Zweikampf scheuen oder in Unterzahl Höchstleistungen bringen.
Auch Chemie spielt eine große Rolle. Zwei technisch starke Spieler sind nicht automatisch ein gutes Duo. Erst wenn Laufwege, Kommunikation und Spielverständnis stimmen, entsteht echte Spielintelligenz.
Fazit: Stars sind wichtig – aber das Team gewinnt den Titel
Eishockey ist mehr als Glanz und Glamour. Es ist Schweiß, Taktik, Aufopferung – und Vertrauen. Die besten Mannschaften der Welt, ob in der NHL oder der DEL, gewinnen nicht durch Einzelaktionen, sondern durch eingespieltes, diszipliniertes Teamspiel.
Wer glaubt, dass Titel nur von den Superstars entschieden werden, irrt. Es sind oft die unsichtbaren Momente, in denen sich Größe zeigt: ein geblockter Schuss, ein kluger Wechsel, ein Pass im richtigen Moment.
Am Ende gilt: Stars gewinnen Spiele – aber Teams gewinnen Meisterschaften.


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